Ausstellung „Graben für den Frieden?“ - Die Bausoldaten in der DDR
Ausstellung im Rahmen der Ökumenischen FriedensDekade 2020
Die Wanderausstellung „Graben für den Frieden? - Die Bausoldaten in der DDR“,
herausgegeben vom Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V., arbeitet die Geschichte einer vom Staat und von der Gesellschaft marginalisierten „Gruppierung“, nämlich der „Bausoldaten“ oder „Spatis“, wie sie gern in Insiderkreisen genannt wurden, unter Verwendung teilweise bisher nicht veröffentlichter Fotos und Dokumente historisch auf.
Zum Hintergrund Variante 1:
In der DDR gab es für Wehrpflichtige kein verfassungsmäßiges Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Glaubens- und Gewissensgründen. Mit der Einführung der Wehrpflicht 1962 kristallisierte sich allerdings ein Potential an Wehrdienstverweigerern heraus, weshalb die Staats- und Parteiführung die „Anordnung des nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Aufstellung von Baueinheiten im Bereich des Ministeriums für Nationale Verteidigung“ im September 1964 in Kraft treten ließ. Entsprechend ihrem Wortlaut konnten Wehrpflichtige, welche sich auf „religiöse Anschauungen“ oder „ähnliche Gründe“ beriefen, in der Nationalen Volksarmee einen waffenlosen Dienst als Bausoldat ableisten. Dies war im gesamten Ostblock die einzige Möglichkeit eines waffenlosen Wehrdienstes!
In der militarisierten, durch Propagierung von allen Militärischen geprägten Zivilgesellschaft mussten Waffendienstverweigerer allerdings mit Diskriminierung und Stigmatisierung rechnen. Hierzu gehörten Bildungs- und Berufsnachteile, aber auch die Beobachtung und Kontrolle durch die Staatssicherheit.
Zum Hintergrund Variante 2:
Am 7. September 1964 ordnete der Nationale Verteidigungsrat der DDR die Einrichtung von Baueinheiten innerhalb der Nationalen Volksarmee an. Dieser Dienst war in der DDR die einzige legale Möglichkeit der Waffendienstverweigerung. Die Bausoldaten hatten auf ihren Schulterstücken einen Spaten, weshalb sie im Volksmund auch "Spatensoldaten" genannt wurden. Trotzdem waren sie reguläre Angehörige der NVA. Sie wurden zu Bautätigkeiten eingesetzt, anfangs meist in militärischen Objekten, später auch im zivilen Bereich. Die Entscheidung der jungen Männer gegen den regulären Waffendienst erforderte Zivilcourage. Die Mehrzahl der Bausoldaten sah sich selbst als Mahner für Frieden und Demokratie.
Zum Ausstellungskonzept:
Neben einem Abriss der historischen Entwicklung thematisiert ein Exkurs den Aspekt der prinzipiellen Wehrdienstverweigerung, der spezifischen Konflikte, mit denen die Bausoldaten durch die militärische Einbindung oder die Arbeitseinsätze beim Bau militärischer Anlagen zu kämpfen hatten. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Aktivitäten einiger Bausoldaten nach dem Militärdienst, ihr Engagement gegen die Militärdoktrin der DDR, Beratung und Aufklärung junger Wehrpflichtiger über den Bausoldatendienst, auch unter dem Dach der Kirche.
Die Ausstellung besteht aus 15 gerahmten Bild-/Texttafeln und ist vom 1.-30. 11.2020 zu den Öffnungszeiten der Stadtkirche, also dienstags und freitags von 10-12 und 14-16 Uhr und samstags und sonntags von 14-16 Uhr zu besichtigen.
Weitere Termine, auch für interessierte Gruppen und Kreise, können telefonisch unter 0160.3656414 verabredet werden.
Der Eintritt ist frei, um eine Spende zur Finanzierung wird freundlich gebeten.
Ein Gesprächsabend mit Zeitzeugen ist für Montag, 16.11., 19.30 Uhr im Bad Schmiedeberger ev. Gemeindehaus, Kirchstr. 5, unter dem Titel „Schwerter zu Spaten? Die Bausoldaten in der DDR“ geplant. Dabei wird der 2015 produzierte gleichnamige Dokumentarfilm (30 Min.) als Impuls aufgeführt, danach kommen Zeitzeugen zur Sprache, darunter u.a. einer der letzten „Spatis“, nämlich der Ortskantor Otto-B. Glüer, zu Wort.